"Auf der Suche nach dem heiligen Ei" oder wie Führerstorch Heinar aus dem selbigen gepellt wurde
Das politische Satire- und Klamottenprojekt Storch Heinar hat 2010 einen historischen Sieg gegen die in rechtsextremen Kreisen beliebte Modemarke »Thor Steinar« errungen. Vorausgegangen war eine Aufsehen erregende Klage gegen Storch Heinar des in der Neonazi-Szene als Erkennungszeichen genutzten Bekleidungslabels der brandenburgischen Mediatex GmbH.
Proteste gegen Neonazi-Laden beflügeln neue Protest-Idee
Am Anfang stand dabei nicht etwa die kollektive Erleuchtung der beteiligten Akteure aus den Reihen der Jusos in der SPD M-V. Im Zusammenhang mit einem im Jahr 2007 eröffneten Nazi-Laden in der Rostocker Innenstadt habe man zunehmend darüber diskutiert, ob man diesem Geschehen nicht besser auf ganz neue Weise begegnen solle – zum Beispiel einfach durch Gründung einer eigenen satirischen Modemarke. Eine von Mathias Brodkorb, einem der Storchenväter, zur Verfeinerung der fixen Idee im Sommer 2008 einberufene Runde zeigte sich denn auch sogleich begeistert und sicherte tatkräftige Unterstützung zu.
Sven Klüsener betätigte sich sogleich als Schöpfer des eigentlichen Namens des Modelabels »Storch Heinar« und bestreitet bis heute energisch, dabei nicht betrunken gewesen zu sein. Storch Heinar also. Gelächter. Noch einmal Gelächter und wenige Tage später der gemeinsame Beschluss, den Klamottenstorch als echte satirische Marke gegen Rechtsextremismus auf den Markt zu bringen.
Der lustige Name alleine reichte hierfür natürlich nicht. Umgehend wurde die Kreativrunde um weitere interessierte MitstreiterInnen vergrößert. Fortan also mit von der Partie die »ENDSTATION RECHTS.«-Mitbegründer Robert Patejdl und Julian Barlen sowie Franziska Schneider, Samuel Fink und Claudia Naujoks.
Stil, Story, Style – Storch Heinar gewinnt Kontur
Zunächst ging es darum, »Fleisch an das Gerippe« der Idee Storch Heinar zu bekommen. Nach und nach entstanden aus Franziska Schneiders Feder erste Zeichnungen und Grundlayouts der Figur und weiterer Charaktere. Zeitgleich wurden die gesammelten Ideen in unzählige Shirt-Motive verwandelt – alle mit dem Ziel, Neonazis mittels humorvoller Bezüge zur nationalsozialistischen Ästhetik ordentlich zu verhöhnen und eine modisch-bunte Gegenöffentlichkeit gegen braunen Zeitgeist zu befördern.
Parallel zum virtuellen Kaufmannsladen entstand in zahlreichen literarischen Exzessen von Robert Patejdl eine immer facettenreichere Rahmengeschichte der 18 Episoden von Storch Heinars selbst gefälschtem Tagebuch "Mein Krampf".
"Thor Steinar" versus "Storch Heinar"
Wenige Monate nach Eröffnung des Kaufmannsladens gab es plötzlich Post von "Thor Steinar", wenig später wurde eine Klage beim Landgericht Nürnberg-Fürth eingereicht. Dass "Thor Steinar" großen Wert darauf legt, gegen vermeintliche Kritiker rechtlich vorzugehen, ist weithin bekannt. Selbst gegen einzelne Bundesländer versuchte "Thor Steinar" vorzugehen - so zum Beispiel gegen das Land Brandenburg, weil dieses in einem Verfassungsschutzbericht darauf hingewiesen hatte, dass die Marke in der rechtsextremen Szene sehr beliebt sei.
"Thor Steinar" warf Storch Heinar zweierlei vor: a) Würde Heinar Markenrechte verletzen und b) "Thor Steinar" auch noch "verunglimpfen". Kurioserweise beantragte "Thor Steinar" allerdings nur einen Tag nach dem Beginn der Storchen-Initiative beim Deutschen Patent- und Markenamt selbst die Marke "Storch Heinar". Heinars Anwälte legten hiergegen Widerspruch ein. Daraufhin wurde "Thor Steinar" die Eintragung der Marke verweigert und so vor Selbstverunglimpfung bewahrt.
Letztlich sollte um einen Streitwert von zunächst 100.000 Euro gehen. Dass in Anbetracht dieser für ein Ehrenamtsprojekt Schwindel erregenden Summe letztlich mit wehenden Fahnen in die juristische Auseinandersetzung gegen »Thor Steinar« gezogen wurde, ist nicht zuletzt der Zusage des SPD-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Erwin Sellering zu verdanken, das Projekt nicht im Regen stehen zu lassen.
Im Sommer 2010 konnte Storch Heinar den als "Nürnberger Modeverbrecherprozess" berühmt gewordenen Rechtsstreit schließlich mit einem sagenhaften Medienecho für sich entscheiden.
Mit Storchkraft in den Wahlkampf
Anstatt sich erstmal ausgiebig auszuruhen, gingen sofort die Vorbereitungen für die Fortsetzung und inhaltliche Erweiterung der Kampagne »Storch Heinar« los. Heinar hatte etwas bewirkt bei den Menschen – soviel war klar. Also wurde umgehend der Bau eines bespielbaren Maskottchens in Auftrag gegeben und Storch Heinar so in die dritte Dimension befördert.
»Ich werde nicht tatenlos dabei zusehen, wie die lächerlichen Modeopfer von der NPD versuchen, sich 2011 wieder Sitze in deutschen Landtagen zu ergaunern«, erklärte Storch Heinar mit grimmigem Blick nach der ersten Anprobe seiner neuen Hülle. »Ich höchstpersönlich werde künftig als Spitzenkandidat gegen alle Neonazis antreten und den braunen Brüdern ordentlich zeigen, wo Thors Hammer hängt.«
Unterstützt durch eine weitere Wunderwaffe: Storch Heinar rückte dem Feind ab 2011 nicht nur modisch, sondern nun auch musikalisch zu Leibe. Mit Storch Heinars zackiger Marschmusik-Kapelle "Storchkraft" und einer nicht enden wollenden »Storchkraft statt NPD«-Tour.
Ende 2012 erhielt Storch Heinar im Deutschen Theater den Publikumspreis des "Deutschen Engagement Preises". 2013 wurden Heinar und Co. unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten zum Bundes-Engagement-Botschafters ernannt.